Innerer Dialog aus meinem Stück „Fallobst“

Felix (trinkt aus der Flasche, durch sein müdes Sprechen entsteht eine Distanz zum Gesagten)

Du verstehst es auch nicht, Richard, aber was soll’s denn noch? Gespenster, würdest du sagen. Aber die sind nicht im Kopf, sie sind überall.

Du hast einen Eimer mit Beeren gesammelt, ein Kind den ganzen Tag allein im Wald, den treten sie dir um und sagen, du hättest ihn ihnen mitten in den Weg gestellt und hauen dich noch dafür.

Der kranke Hund, dem du in der Scheune ein Bett gemacht hattest, und der dich aus seinen großen Augen so lieb angesehen hat, den schlagen sie tot, schmeißen ihn über das Hoftor und sagen, er sei unter ein Auto gelaufen. Aber an der stumpfen Seite von der Axt kleben noch Blut und Haare. Und du bist ein Kind, und du kannst ja nichts machen, und du schreist, schreist und schreist. Und sie schlagen dich und treten. Und dann kommt der Alte, der Herr Bürgermeister, und putzt seine großen Pratzen an dir ab, daß du das Maul halten sollst. Und dann die Alte, die Frau, zu der du Mutter sagen mußtest. Drunten im Keller haut sie dich mit dem Bettklopfer auf den blanken Hintern und schreit im Takt dazu, daß du nie mehr sagen sollst, deine großen Brüder wären Mörder. Seit dem weiß ich, Richard, daß man nicht dagegen anschreien kann. Trotzdem habe ich immer wieder geschrieen. Verrückt, nicht?

Und du wirst dieses Pack nie mehr los, nie! Sie haben andere Kleider an, andere Gesichter aber es ist doch immer dasselbe. Sie sind mehr und stärker, drum dürfen sie lügen.

Die Meute auf dem Schulhof, die Mafia auf den Baustellen. Dein gutes Werkzeug haben sie dir sogar aus der Tasche genommen. Und wenn du Stunk gemacht hast, warst du der Unruhestifter. Wo was nicht gestimmt hat, da warst du schuld. Beim Fußball genau das Selbe. Ja, es hat auch mal einen Polier oder einen Trainer gegeben, der hat’s gut gemeint. Aber wenn einer alleine dasteht gegen die Meute, wer stellt sich da schon nebendran?

Immer wenn ich neu wo hingekommen bin, habe ich geglaubt, daß ich jetzt zu guten Menschen komme. Ja! Und immer wieder haben sie mir gezeigt: Du bist anders, dir machen wir’s.

Das meine ich mit Fallobst, Richard.

Im Ring ist das anders. Da hast du es immer nur mit einem zu tun. Da bist du nicht bloß ’ne Nummer in einer Mannschaft. Und du darfst dich wehren.

Der Zeitungsmann, der den ersten Artikel geschrieben hat, den habe ich nie gesehen. Habe ich dem denn was gemacht? Jetzt will mich kein Manager mehr haben. Im Ring konnte die Meute mir nichts machen. Jetzt haben sie es aber geschafft, den Ring für mich zuzumachen. Wo soll ich denn jetzt noch hin?

veröffentlicht bei Deutscher Theaterverlag

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