Ein paar Wimpernschläge Glück

(nach dem mexikanischen Lied „El Tahur“ von Adolfo Salas)

Kurzgeschichte Friedrich Treber

Mitten in der Nacht auf der Dorfstraße. Die Hochlandnacht war recht kühl, und dazu blies auch noch der Wind von der Sierra Madre her durch die Maschen der geflochtenen Mantilla und das leichte Kleid, daß es bis in die Brustwarzen zu spüren war. Aber das trieb auch die Schläfrigkeit aus dem Kopf. Wie konnte man sich auch nur so etwas bieten lassen?

„Hör, Raŭl, “ die eigene Stimme fand irgendwo in der nächtlichen Stille ein Echo, „du hast gesagt, es sei wichtig, aber hast du mich dazu aufgeweckt, daß ich mir einen Husten hole? Auch wenn ich deine Frau bin, soll ich durch diese Kälte bis hinauf zur Cantina laufen? Nur wegen irgendeiner blöden Wette und weil Du immer gewinnen mußt?“

Der breitschultrige Mann, eineinhalb Schritte voraus, drehte den Kopf zur Seite. Das Profil mit dem kräftigen Kinn zeichnete sich gegen den Nachthimmel ab.

„Es geht um keine Wette!“ kam es knapp zurück.

„Ja, worum denn dann? Mitten in der Nacht und bei der Kälte!“

„Um Alles, Schäfchen!.“

„Schäfchen, Schäfchen! Alles? Was soll das heißen?“

„Damit du es kapierst: Um jeden Fußbreit Boden, der mir gehört, um das ganze Vermögen bis zur letzten Kupfermünze. Ja, Alles, auch das da.“

Und er zeigte zurück auf das größte Haus des Dorfes, um das der Hauptweg einen Bogen nehmen mußte, und in dessen wuchtige Fassade der verspielte Säuleneingang nicht zu passen schien.

„Das Haus? Mein Vater hat es uns hinterlassen!“

„Der Ehevertrag, Schäfchen, der Ehevertrag! Du vergißt so viel. Das Haus, das Land, die Stallungen …

Männer! Ihnen gehörte Alles, und sie gaben es einander weiter. Frauen waren für sie wie unmündige Kinder. Und am besten ließ man sie in diesem Glauben. Dann konnte man seinen Mann nach allen Regeln der Kunst verführen und er würde einem immer noch für unschuldig halten, wenn man ihn nur in dem Glauben ließ, Alles sei sein Werk. Wehe der Frau, die nicht bescheidwußte! Mochten die Nonnen im Internat die Mädchen zwingen, jeden Hemdenwechsel unter der Bettdecke zu vollziehen, man lernte dennoch viel dort über den eigenen Körper und über den Körper eines Mannes. Zum Beispiel während der Nachtwachen in der Kapelle, wenn das Schnarchen der aufsichtsführenden Nonne anzeigte, daß man nun ungestört tuscheln konnte.

„Man muß lernen, den Mann, den man abkriegt, zu ertragen.“ hatte Carmencita geseufzt.

„Nein, Kinder“ hatte die lustige Consuelo dann gekichert, „Mit Männern kann man sich selbst genießen. Und wer sich auskennt, kann sie dazu bringen, mehr zu geben als sie eigentlich wollen, nicht nur mit dem Körper! Und merkt euch: Romantische Vorstellungen sind etwas für die Stierköpfe von Männern!“

Auf ihre Weise hatten ja beide recht gehabt.

„Wenn du im Wind stehen bleibst, brauchst du nicht über Kälte zu klagen, oder willst du dich schon mal an die Straße gewöhnen?“

Es mußte schon sehr ernst sein, daß er diese Drohung aussprach. Aber aus einem Mann war immer mehr herauszubekommen, wenn man sich dumm stellte.

„An die Straße gewöhnen, was meinst du damit?“

Er wußte ja nicht, daß einem selbst in jedem Fall mehr bleiben würde als die Straße. Da war diese Rinderzucht mit Weideland in den Bergen, eine richtige kleine estancia, die aus einer Erbsache in Mutters Familie stammte. Mutter – da gab es Erzählungen aber keinen Funken eigene Erinnerung. Aber da war Incarnacion, die Vater immer „die Spinne“ genannt hatte, sie sollte Mutters Freundin gewesen sein und sie hatte die Sache um die estancia dirigiert. Nur ein Datum mußte der zuständige Sachwalter ändern, um diesen Besitz nicht nachträglich unter Mutters Ehevertrag fallen zu lassen. Ob Incarnacion gewußt hatte, daß dieser Advokat mehr als Geld verlangen würde? Leicht war er nicht zu ertragen gewesen, aber hier zeigte es sich, daß das Ganze sich gelohnt hatte.

… und kein eigenes Dach mehr über dem Kopf!“ beendete Raŭl seine überflüssige Erklärung.

„Aber wie kann das alles weg sein, Raŭl, auf einmal und so schnell? Das verstehe ich nicht.“

„Es ist noch nicht weg, es steht aber auf dem Spiel. Aber daß wir es behalten, dazu mußt du jetzt helfen, Esperanza, bitte!“

Da war keine Erinnerung, je von ihm um Hilfe gebeten worden zu sein. Und da war jetzt auf einmal eine Peitsche in der eigenen Hand. Aber sollte man sie benutzen? Sollte man diesen Mann jetzt dafür bestrafen, daß er einen ausgesucht hatte? Es war ja Vater gewesen, der gesagt hatte „Den oder keinen, so lange ich lebe!“ Wäre eine Weigerung und in deren Folge ein Leben mit kleinen Heimlichkeiten – möglicherweise bis zum Verblühen – das bessere Los gewesen? Unbenommen der eigenen Verfehlung um der estancia willen, war das Leben mit Raŭl ja recht erträglich gewesen, eben auch weil man keine romantischen Erwartungen pflegte. Er ging ja auch nur zweimal im Jahr auf „Geschäftsreise“. Betrunken war er in den ganzen Jahren nur einmal gewesen. Aber da war er ganz zahm geblieben und hatte unter Tränen irgendeine Geschichte aus seiner Kindheit erzählt. Ach ja: Wie einmal ein größerer stärkerer Junge seine zahme Taube von der Stange genommen habe, ihn niedergeschlagen und dann das Tier vor seinen Augen umgebracht. Später habe er sich an ihm gerächt und sich geschworen, sich nie wieder etwas wegnehmen zu lassen. Wie Gespräche mit anderen Frauen zeigten, war dieses Eheleben das gängige, nicht mehr und nicht weniger. Also konnte man ihm hier schon helfen, wenn er nicht zu viel verlangte.

„Dann sage mir doch, was ich damit zu tun habe, und was du da von mir verlangst.“

„Der Grund, aus dem ich dich geholt habe, Esperanza, ist etwas, das weder das Recht noch die Kirche duldet, das weißt du wohl nicht, darum sage ich es dir. Wenn du willst, kannst du sofort umkehren. Was dann aber kommt, hast du wohl inzwischen begriffen.“

„Wenn du mir jetzt nicht auf der Stelle sagst, was da los ist, dann gehe ich sofort zurück in mein warmes Bett, mag passieren, was will.“

Raŭl drehte sein Gesicht wieder nach vorne, von ihr weg.

„Du bist der entscheidende Einsatz in einem Kartenspiel!“ Kam es gepreßt zurück.

„Wie bitte? Ich? Bin ich vielleicht ein Maultier oder eine Ziege? Raŭl Vidal, das kann doch nicht dein Ernst sein!“

Er drehte sich um, daß nun seine beiden Augen zu sehen waren.

„Ich wollte es nicht so, aber ich habe die Sache nicht mehr in der Hand. Ohne Einsatz kein Spiel. Und nur das Spiel kann uns die Straße ersparen. Hast du das immer noch nicht verstanden?“

So war es also! War ja schon zu ahnen gewesen! Aber dieses Vorhaben, das weit außerhalb dessen stand, was der eigenen Vorstellung bisher verfügbar gewesen war, drückte doch auf den Atem. War aber dieses ganze Ansinnen nicht einfach lächerlich? Konnten denn einige schmierige Spielkarten so viel Macht haben?

„Sag mal Raŭl, gibt es denn ein Gesetz, daß man Spielschulden bezahlen muß?“

„Nein. Aber das sind Ehrenschulden.“

„Und für Deine Männerehre machst Du deine Frau zur Hure?“

„Jetzt übertreibe doch nicht schon wieder, Esperanza. Es geht nur um den Einsatz. Und der soll anwesend sein. Das wurde verlangt. Und wenn der gewinnen sollte – was nicht geschehen wird – kann er nichts von dir wollen. Wird er auch nicht. Der sowieso nicht!

Wenn ich doch nur gewußt hätte, daß dieser Bastard so viel Geld hat, wie er gar nicht haben dürfte. Immer wenn ich höher setzte, um ihn aus dem Spiel zu drücken, konnte er mit. Aber jetzt werde ich ihn an seinem Schwachpunkt kriegen.“

„Was für ein Schwachpunkt denn?“

„Der Narr hat alles gewonnen, was ich habe. Und dann setzt er das alles auf ein einziges Spiel. Da muß doch ein Loch im Hirn sein!“ schnaubte Raŭl.

Ja merkte er denn nicht, was er da sagte? Aber was sollte man auch erwarten? Frau oder Vermögen? Klar, was da vorzuziehen war.

Halt! Da war dieser andere Mann, der den eigenen Reichtum aufs Spiel gesetzt hatte und den gewonnenen nun riskierte, um eine Frau gewinnen zu können. Eine Frau? Ja, aber nicht irgendeine sondern Esperanza Gualamente de Vidal. Das war doch mal etwas ganz Neues!

Also mußte dieser Mann sie doch kennen. Die Sache begann ja wirklich interessant zu werden. Und es gab Grund genug und Gelegenheit, ein wenig die Peitsche zu schwingen.

„Seit wann bist du denn ein Prophet Raŭl? Jedes Spiel kann so oder so ausgehen.“

„Du hörst nicht zu. Ich habe dir doch erklärt, daß der ein Loch im Hirn hat.“

„Dann hast du also dein ganzes Vermögen an einen Mann mit einem Loch im Hirn verloren, mein Raŭl?“

„Schön, wenn du das lustig findest, Esperanza. Dann nur vorwärts! Gehen wir!“

„Ich will ja meinen Teil beitragen Raŭl. Aber wenn das Spiel doch anders enden sollte, als du es vorhersagst, wer wird denn dann nach dem Gesetz der Männerehre mein Besitzer sein?“

„Martin Estrada Contreras“ kam es knapp zurück.

„Hast du damals den Pistolero bezahlt, Raŭl?

Da waren diese Wörter plötzlich draußen, ohne vorheriges Wissen darum, daß sie bereitlagen. Was war denn da nur los, irgendwo tief drinnen?

Raŭl blieb stehen und sah über seine rechte Schulter zurück.

„Ob du es mir glaubst oder nicht, Esperanza,“ äußerte er langsam und betont, „es war dein Vater, der den Pistolero besorgte, nachdem mein bester Mann es nicht geschafft hatte, dem Pferdeknecht eine Tracht Prügel zu verpassen. Also, komm, weiter!“

Hatte denn Martin Estrada Contreras den Interessen Vaters und Raŭls je wirklich im Wege gestanden? Wieso schien das auf einmal eine Frage? Gewiß, Martin war jahrelang der schüchternste aber auch der eifrigste Verehrer gewesen. Die Mädchenzeit ging zu Ende, und die ersehnte Rolle der Himmelskönigin Maria bei den Weihnachtsspielen in der Kirche war immer anderen zugefallen. Da war die Verehrung dieses Jünglings, der als der beste Tänzer weit und breit galt, wie Balsam auf die Seele. Aber mehr als miteinander tanzen und die eine oder andere gemeinsame Runde abends um den Dorfplatz war nie gewesen. Daß Welten zwischen ihnen lagen, war in der eigenen Vorstellung immer klar gewesen, in der seinen wohl auch. In Armut geboren, früh verwaist, hatte er schon im Kindesalter angefangen, auf einer estancia zu arbeiten. In den Jahren damals arbeitete er als Zureiter und Abrichter von Pferden und genoß auf diese Tätigkeit bezogen einiges Ansehen.

Als erzählt wurde, ein fremder Pistolero habe Martin Estrada Contreras ins Bein geschossen und dann gezwungen aus dem Dorf zu kriechen, gab es doch keinen Gedanken, daß das wegen dieser Harmlosigkeiten geschehen sein könnte. Es war doch nichts gewesen. Gar nichts?

Die letzte Begegnung? Ach ja, während der ungeliebten Tätigkeit, zwischen den Blumen auf dem Vorplatz des Hauses Unkraut zu jäten, kam er als willkommene Unterbrechung zu Pferd vorbei und hielt an. Eine junge Grulla Stute hatte er unter dem Sattel gehabt. Die konnte keinen Moment alle vier Hufe auf dem Boden halten und während der Unterhaltung mußte der Reiter immer wieder die eigene Haltung den Bewegungen des Pferdekörpers anpassen. Er schien sich auch in der Pflege von Blumen auszukennen. Am schönsten fand er aber die wilden Blumen draußen auf den Weiden. Aus solchen habe eine Frau in Guadaljahara eine Sorte gezüchtet, die sie „Königin“ genant habe. Er wolle Stecklinge davon besorgen.

„Entschuldige, Esperanza, Sternchen war nun so lange brav und muß jetzt toben dürfen,“ sagte er schließlich. „Ich denke an die Königin.“ Grüßend hob er die Handfläche, ließ die Hand wieder fallen, hob sie dann noch mal und als der Handrücken ich ihre Richtung gewandt war, rief er: „Königin!“ und fast gleichzeitig ging die Stute mit allen vieren in die Luft.

Das war doch eine recht eindeutige Huldigung gewesen. Aber war da auf eigener Seite ein Verstehen einfach nicht gewollt? Vom Leben in einem Häuschen einfacher Leute war da die Vorstellung, daß man dort kniend vor dem offenen Herdfeuer kochen mußte, immer mit dem Rauchgeruch in Kleidern und Haaren und Ruß auch auf der Haut. Davon träumte ein Mädchen nicht, das ein vielräumiges Haus mit großem Innenhof gewohnt war.

Aber sehr ernst mußte Martin die Königin schon gemeint haben, wenn er sich auch nur versteckt zu äußern wagte. Verletzt, gedemütigt, vertrieben, hatte er sich während der Jahre in der Fremde genügend Reichtum erspielt, um mit Raŭl mithalten zu können. Anders als in vielen Nächten an Spieltischen konnte einer wie er kaum zu solchem Reichtum gelangen. Und statt das Erworbene zu genießen, war er zurückgekommen, und hatte Alles riskiert, um sich diesen Moment zu erspielen.

„Ja, es ist richtig, schneller zu gehen, Esperanza“, weckte Raŭls Stimme aus den Gedanken auf, „da wird es dir wieder wärmer. Und wir sind auch gleich da.“

Die Kälte war aber doch nicht mehr zu spüren. Vom Brustbein ausgehend durchströmte ein warmes Gefühl den Körper bis zu den Fußsohlen.

Und das tut dieser Mann alles, nur um dir wieder in die Nähe kommen zu können!

Von Ähnlichem hatte man wohl als Mädchen geträumt wie als Kind von der guten Fee. Nun war etwas aus der geträumten Welt in die Wirklichkeit gekommen.

Wirklich?

Auch Martin Estrada Contreras war ein Mann. Und es konnte ebenso sein, daß er wegen seiner Männerehre zurückgekommen war, um sich an dem vermeintlichen Verursacher seiner Demütigung zu rächen und zu zeigen, daß er nicht mehr zu den Kleinen gehörte. Nein, da durfte eine Frau nicht die Besinnung verlieren. Es war gut, sich selbst zu kennen. Was da jetzt auf die Kehle drückte und in den Augenwinkeln brannte, war ja in Kinderjahren schon dagewesen, genau dasselbe Gefühl, immer beim Anblick anderer Kinder in den Armen ihrer Mütter. Ein Ersatz war die englische Gouvernante nie gewesen. Was Vater wohl an der gefunden hatte? Ja, da hatte das Kind sich die Fee erträumt, die es wie eine Mutter in den Arm nahm.

Dieses innere Brennen nach den Mutterarmen war geblieben. Aber man hatte gelernt, zu umarmen und dabei zu bedenken, was man wohl erreichen konnte, ebenso verwendete man freundliche Reden. Man nahm Umarmungen hin, freute sich sogar darüber, aber der Kopf blieb doch immer wach und beobachtete, damit keine falschen Träume aufkommen konnten. Ja, manchmal mußte man sich schon kräftig am Zügel nehmen.

War Martin der Mann, dem man sich wie ein Kind in die Arme legen konnte?

Ohne genaues Wissen darüber durfte kein Zügel losgelassen werden!

Wie war da Klarheit zu erlangen?

Wenn Männer Rache übten, wollten sie ihre Beleidiger am Boden haben. Wenn Martin deswegen gekommen war, würde es ihm nicht genug sein, Raul nur eben mal besiegt zu haben, sondern er würde ihn für das weitere Leben zeichnen wollen. Dann würde er nie freiwillig, Raŭls Verlust zurückgeben. So waren Männer.

Martin würde also vor die Wahl gestellt werden müssen zwischen der Königin seiner jungen Jahre und dem Besitz Raŭls. Eindeutig und klar. Dann würde sich zeigen, ob er der Mann war, bei dem man sich loslassen konnte.

„Da ist die Cantina, Esperanza,“ war Raŭl nun wieder zu hören. „Wenn das Spiel beginnt, stellst du dich hinter mich, aber seitlich, damit er dich sehen kann, verstehst du?“.

Drei Stufen führten hinauf zu der Veranda der Cantina. Eine Laterne an einem vorstehenden Balken über der dopelflügeligen Tür leuchtete alles hell aus.

„Hör. Raŭl“, wie fest doch die eigene Stimme jetzt war, hier auf der obersten Stufe, „was jetzt kommt, regle ich. Wenn es hier nach meinem Willen geht, wirst du dein gesamtes Vermögen von hier mitnehmen können. Es bedeutet dir ja ohnehin mehr als ich. Ja, man kann auch so miteinander leben. Aber ich will nicht mehr, Egal, was da drinnen geschehen wird; zwischen uns ist es aus! Jedes Recht auf mich hast du verspielt. Das weiß ich, und das weißt du!

Da wurde der eine Türflügel von innen aufgestoßen, in der Öffnung erschien ein Mann in der schwarzen Kleidung der Berufsspieler. Der schwere Revolver unter dem rechten Rockschoß beeinträchtigte die Eleganz der Erscheinung. Die rechte Hand löste sich vom Türflügel, hob sich grüßend –das kannte man doch – und schob dann den flachen Spielerhut nach hinten.

Ja, es war das Gesicht Martins. Die Schläfen schimmerten leicht silbern und von beiden Nasenflügeln zog sich je eine tiefe Falte zu den Mundwinkeln hin. Aber seine Augen. Und wie sie leuchteten! Das ganze Gesicht leuchtete. „Esperanza!“ keuchte er, als könnte er nicht glauben, was er sah. Wurden hier noch Worte gebraucht? „Ja, ja, ja!“ jubelte es von innen heraus, und die Füße hatten sich schon unbefohlen in Bewegung gesetzt, da kam ein heftiger Stoß in den Rücken. Die Laterne schien einen Tanz über den Augen aufzuführen. Ein Knall! Ja, Raŭl trug stets eine kleine zweiläufige Pistole unter der Weste. Da war dann ein Arm um die Schultern zu spüren, die Lampe hörte auf zu tanzen, und unter der Rückseite der Beine fand sich wieder Boden. Eine Hand schob sich unter den Nacken, der Kopf wurde angehoben. Ja, es war Martin, und so gehalten zu werden, war Labsal für die so oft gezügelten inneren Wünsche. „Esperanza“ flüsterte Martin an ihrem Ohr. Aber da war schon keine Kraft mehr, um zu antworten. Von den Beinen herauf kroch Kälte in den Körper. Ein schwarzer Kreis schloß das Blickfeld ein und wuchs nach innen. Martin hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt. Eine Träne erschien im Winkel seines linken Auges. Er blinzelte sie weg, sah kurz zur Seite, und dann geriet der ganze Körper des Mannes in Aufruhr außer dem stützenden Arm. Seine rechte Hand zuckte weg von ihrem Kopf, aber im Schnappen nach dem Revolver gab seine Wange der eigenen Stirn noch einen Hauch Wärme. Dann war da nur noch Kälte und Schwärze.